Zwischen Natur und Kunst gibt es enorm viel Spannendes zu entdecken. Heute riechen wir am Lorbeer und schauen, wo sich das Gewürz in der Kunst breit macht. Der Lorbeerbaum ist nämlich ein besonderes Gewächs, wie wir gleich entdecken werden. Der lateinische Name «Laurus nobilis» sagt schon viel über die Bedeutung der Pflanze aus.
Im heutigen Blogbeitrag gehe ich zuerst auf die Pflanze und auf ihre Symbolik ein. Weshalb ist ein Lorbeerkranz so erstrebenswert? Danach nehmen wir ein Bild von Napoleon unter die Lupe. Zum Schluss richte ich den Blick auf den zeitgenössischen Künstler Giuseppe Penone, welcher mit Lorbeerblättern schon ganze Museumswände geschmückt hat. Hierbei erkläre ich dir auch, welche Herausforderungen entstehen, wenn in einem Museum Naturmaterialien verwendet werden.
Der Lorbeerkranz: Für Götter und Helden
Der Lorbeer war in der Antike dem Gott Apollo geweiht. Der Baum wurde im Volksmund Apollolorbeer genannt. Die Blätter wurden von Gott Apollo getragen, da sie ihn an seine geliebte Nymphe erinnerte, die sich vor seinen Augen in einen Lorbeerbaum verwandelte. Höre hierzu gerne in die 4. Folge von Kunst & Knackig rein. Dort erzähle ich dir mehr über meine Lieblingsstatue «Apollo und Daphne» von Gian Lorenzo Bernini, welche sich in der Villa Borghese in Rom befindet.
Die Pflanze ist also mit dem Gott des Lichtes verknüpft und von «edler Art». In der Stadt Delphi ehrte man früher die Sieger der musischen und athletischen Wettkämpfe mit Lorbeerkränzen, denn dieser galt – und gilt bis heute – als Auszeichnung für Kriegshelden und für herausragende, sportliche Leistungen. Der Kranz ist ein Symbol für einen besonderen Erfolg oder eine besondere Ehre. Nicht umsonst nennt man ihn auch Siegerkranz.
Aus diesem Kontext kommt auch das Sprichwort «Ruhe dich nicht auf deinen Lorbeeren aus». Das heisst so viel wie: Nur weil du dieses Mal gewonnen hast, bedeutet das nicht, dass du dich fürs nächste Mal nicht wieder anstrengen musst. Doch nicht nur der Gott des Lichtes ist mit Lorbeer bekränzt, auch Äskulap, der Gott der Medizin.
Nur für Sieger? Die Krönung von Napoleon
Das monumentale Gemälde «Die Krönung von Napoleon» von Jacques-Louis David, welches um 1805-07 entstanden ist, befindet sich heute im Musée du Louvre in Paris. David, der offizielle Maler von Napoleon, hat die grosse Menschenmenge in der Kirche Notre-Dame in Paris gemalt, die zur Krönung erschienen ist.
Zuerst fallen die mächtigen Pfeiler der Kathedrale auf und die Zuschauer in den oberen Rängen. Unter ihnen hat sich David selbst abgebildet. Auf der rechten Seite sehen wir angeschnitten eine riesige Skulpturen-Gruppe. Im unteren Drittel stehen die Besucher:innen – wichtige Leute, diverse Würdenträger und der Papst. Napoleon selbst ist in der Mitte zu sehen wie er seine Ehefrau Josephine de Beauharnais zur Kaiserin krönt. Kurz zuvor findet die berühmteste Selbstkrönung der Geschichte statt: Nicht der Papst krönt Napoleon, sondern er krönt sich selbst. Auffallend im Bild ist der goldene Lorbeerkranz auf seinem Kopf. Er trägt keine Krone. Als Sieger trägt er einen Lorbeerkranz! Papst Pius VII darf gerade noch seinen Segen geben. Interessanterweise ist Napoleon wie ein römischer Kaiser gekleidet.
Zeitgenössische Kunst: Der Lorbeer bei Guiseppe Penone
Wir machen einen Sprung in die zeitgenössische Kunst und befinden uns in der Galleria Borghese in Rom. Dort hat der Künstler Giuseppe Penone vor ein paar Jahren die Säle rund um Berninis Skulpturen erweitert. Sie führen auf wunderbare Weise das Thema Lorbeer fort. Im Daphne-Raum bringt der Künstler wandhohe Panele an, die hinter Drahtbespannung ein dichtes Netz aus echten Lorbeerblättern bilden – eine Art Polsterung an der Wand. Man erkennt darin ruhige, geometrische Strukturen. Auch der Lorbeerduft entgeht den aufmerksamen Besucher:innen nicht.
Im grossen Kaisersaal der Villa stellt Penone eine Plastik mit dem Titel «Respirare L’Ombra» aus («den Schatten einatmen»). Wir sehen eine Figur mit einem bodenlangen Umhang. Dieser besteht aus in Bronze gegossenen Lorbeerblättern. Die Figur selbst ist aber gesichtslos und gibt den Blick auf ihre vergoldete Lunge frei. Daneben kann man «Soffio di foglie» («der Odem der Blätter») bewundern. Einen «Haufen getrockneter Blätter», aber keine Lorbeerblätter. Es ist ein Körper eingedrückt, so als hätte sich jemand bäuchlings in den Blätterhaufen gelegt.
Aus Sicht der Museen gibt es viel zu beachten beim Umgang mit Naturmaterialien und deren Transport. So muss beispielsweise die ganze Verpackung aus Materialien bestehen, die keine chemischen Reaktionen mit dem Kunstwerk eingehen. Ferner sollte es so wenig Berührungspunkte mit dem Kunstwerk geben wie möglich. Und natürlich nur an den weniger empfindlichen und statisch stabilen Stellen. Die Restauratoren sprechen jeweils die Verpackungen im Detail mit der Kunstspedition ab und erstellen ein Protokoll.
Doch gerade bei Naturmaterialien weiss man nicht, was da noch mitgekommen ist – blinde Passagiere in Form von Tieren, die an den Blättern knabbern oder sich gar darin vermehren. Deshalb stellt man in den Räumen diskret Schädlingsfallen auf. Zudem verändern sich Naturmaterialien über die Zeit. Die Lorbeerblätter ändern ihre Farbe und verblassen. Man versucht dies bei der Planung der Ausstellung zu berücksichtigen. Die Fenster werden beispielsweise mit UV-Schutzglas ausgestattet und das Licht wird reduziert.
Auch die Art der Präsentation spielt eine grosse Rolle: In der Galleria Borghese stand Respirare L’Ombra auf einem etwa 20 cm hohen Podest. Das ist nicht nur eine ästhetische Entscheidung. Es wird indirekt ein Abstandhalter eingebaut. Denn es gilt: Freistehende Skulpturen verführen zum Anfassen. Aber das Hautfett und der salzige Schweiss verändern die Oberfläche der Werke und es beginnen chemische Reaktionen. Das Podest in der Galleria Borghese, die ein grosser Publikumsmagnet ist, trug dazu bei, dass die Bronze weniger angefasst wurde.
Giuseppe Penone ist ein italienischer Künstler, der sich seit über 60 Jahren mit dem Zusammenspiel von Mensch und Natur beschäftigt. In seinen Skulpturen verwendet er Bäume, um deren «Erinnerungen» sichtbar zu machen und um Zeit darzustellen. Penone gehört zur Kunstbewegung Arte Povera. Er nutzt einfache Materialien wie Holz und setzt den Fokus auf das Konzept statt auf die Darstellung.
Der Lorbeer als Heilpflanze
Zum Schluss machen wir noch einen Sprung in die Pflanzenkunde, denn der Lorbeer ist eine grossartige Gewürz- und Heilpflanze. Symbolisch steht sie für Reinigung und Frieden. Ein immergrüner Strauch – wie unsere Nadelbäume, denen wir symbolisch eine ähnliche Bedeutung gegeben haben. Wir kennen die Pflanze vor allem aus südeuropäischen Gärten. Ab und zu sieht man sie bei uns in Klöstern an geschützten Stellen wachsen. Der Lorbeer hasst Kälte. Und wir gewinnen aus seinem Öl eines der stärksten Mittel gegen Erkältungskrankheiten. Er schützt uns vor Kälte, indem er uns mit seiner Wärme ummantelt.
Sein würziger Duft erinnert mich immer an Ferien am Mittelmeer. Geht es dir auch so?
Dieser Beitrag entstand zusammen mit Britta Kadolsky und Dr. Lisa Wagner. Höre hier in unsere gemeinsame Podcast-Folge «#15 – Cäsar, Dante, Napoleon. Alle wollten ihn: Den Lorbeer. Aber warum?» rein.
Bilderquellen:
- Porträt des Dante Alighieri, idealisierende Darstellung von Sandro Botticelli, um 1495 © Private Sammlung (Wikimedia)
- Die Krönung von Napoleon in Notre-Dame von Jacques-Louis David, 1806-07 © Musée du Louvre, Paris (Wikimedia)
- «Soffio di foglie / Breath of Leaves» und «To Breath the Shadow», Giuseppe Penone, Foto © Galleria Borghese, Hall of the Emperors, Aus der Ausstellung im Jahr 2023
- «Metamorphosis», Giuseppe Penone, Foto © Galleria Borghese, Apollo and Daphne Hall, Aus der Ausstellung im Jahr 2023
- Abbildung von Apollo und Daphne © Galleria Borghese, eigene Aufnahmen
Schaue dir auch unseren gemeinsamen Beitrag über die «Gaben der Heiligen Drei Könige» an.