Anlässlich des sechshundertjährigen Bestehens der Eidgenossenschaft erhält Arnold Böcklin im Jahr 1890 den Auftrag, eine Bundesmedaille zu entwerfen – eine sehr ehrenvolle Aufgabe. Infolge Auseinandersetzungen mit den Auftraggebern wird dem Künstler dieser Auftrag kurzerhand entzogen. Böcklin weiss sich jedoch gegen diesen Affront zu wehren und ein Jahr später präsentiert er mit dem Gemälde Helvetia seine Version der Freiheit.

Das Bild Die Freiheit (Helvetia) wird 1891 vom Schweizer Maler Arnold Böcklin (1827 – 1901) gemalt befindet sich seit 1983 in der Sammlung des Kunsthauses Zürich. Es handelt sich hierbei um eine Leihgabe der Nationalgalerie Berlin.

Wie der Titel bereits aussagt, stellt das Gemälde die Personifizierung der Freiheit in der Figur der Helvetia dar. Sie thront auf einem mit Moos bewachsenen Felsen, welcher knapp aus einem Wolkenmeer hervorragt. Ihr Gewand besteht aus einem feuerroten Tuch, das sich um ihren Körper schlingt, wobei ihr Oberkörper nackt bleibt. Auf ihrem Haupt trägt sie eine rote Mütze. Ihr Blick geht am Betrachter vorbei in die Ferne. Im Kontrast zu ihren dunklen Haaren erscheint ihre Haut hell und zart. In ihrer linken Hand hält sie einen Palmzweig. Auf ihrem rechten Arm sitzt ein Adler.

Im Hintergrund kann der Betrachter schneebedeckte Bergketten erkennen. Diese ragen als schmales Band aus den Wolken empor. Darüber wölbt sich ein wolkenloser, türkisblauer Himmel. Das Bild hat zwar eine quadratische Form, jedoch verwendet Böcklin als Hauptmalfläche einen runden Kreis und bemalt die Ecken mit dunkler Farbe.

Symbolismus und Metaphern

Wichtig zu wissen ist, dass der Schweizer Künstler Arnold Böcklin ein Hauptvertreter des Symbolismus und Idealismus in der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts war. Sein Bild Die Freiheit (Helvetia) ist gespickt von Symbolen und Metaphern. Gleichzeitig wirkt es zeitlos und ist örtlich nicht fixiert. Es fällt auf, dass Böcklin kräftige Farbgebung und klare Formen benutzt. Die Hauptfarben sind rot, weiss, blau – sowohl die Farben des Schweizer Wappens (rot, weiss) als auch diejenigen der Trikolore (rot, weiss, blau). Im Bild fällt vor allem der ausgeprägte Hell-Dunkel Kontrast auf. Ganz besonders sticht die Farbkombination des roten Tuches und die alabasterweisse Haut ins Auge. Auffallend ist, dass das feuerrote Tuch der einzige Gegenstand ist, der Bewegung in das Bild. Das Gemälde wirkt dadurch gefühlsgeladen und ausdrucksstark.

Ein Vergleich: Schweizer Münzen und Die Helvetia von Böcklin

Wie oben erwähnt, hat Böcklin zunächst einen Entwurf der Bundesmedaille zum sechshundertjährigen Bestehen der Eidgenossenschaft angefertigt. Die stattdessen realisierte Darstellung der Helvetia findet sich noch heute auf den Münzen zu ½, 1 und 2 Franken (siehe auch: Bronzemedaille Helvetia, Medailleur Antoine Bovy (1795-1877), Schloss Gruyère).

Die Helvetia auf der heutigen Münze steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden und wird mit Waffen dargestellt (Schild und Lanze). Das Schweizer Kreuz ist im Schild gut erkennbar. Der Zusammenhang zur Freiheit wird in dieser Münze nicht direkt zum Ausdruck gebracht. Aber die Münzen zu 5, 10 und 20Rappen stellen ein Portrait der Libertas dar, so dass die Gesamtheit der Münzen Freiheit und Helvetia zueinander in Beziehung stehen. Der kriegerischen Helvetia auf den Münzen steht Böcklins friedliebende Darstellung mit dem Palmenzweig gegenüber. Die Helvetia auf der Münze steht mit beiden Beinen auf dem Boden, während die Helvetia von Böcklin über den Wolken und damit über den irdischen Dingen zu schweben scheint.

Meiner Meinung nach hat die allegorische Frauenfigur von Böcklin einen ganz anderen Charakter als die Helvetia auf der Münze. Sie wirkt zwar auch siegesbewusst, hat aber dennoch keine kriegerischen Züge. Sie strahlt eher Geborgenheit aus und scheint als ‚Beschützerin‘ des Landes oberhalb der Wolken zu wachen. Ihre Gesichtszüge wirken unerschrocken, frei und friedliebend. Sie scheint somit die Bedeutung der schweizerischen Vorstellung von Eintracht und Einigkeit zu unterstützen. Die Helvetia von Böcklin zeigt keinerlei Anzeichen von Alter oder Vergänglichkeit – so als ob sie sagen möchte, dass die Schweiz noch lange bestehen wird. Ihr Blick scheint gleichzeitig sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft gerichtet zu sein. Durch die Farben rot (Tuch und Mütze) und weiss (Berge, Wolken, ihr Körper selber) gelingt es dem Maler eine Verbindung zu den Wappenfarben der Schweiz herzustellen.

Der Adler auf ihrem rechten Arm scheint das Majestätische noch zu unterstützen, denn der Adler ist nicht nur der ‚König der Lüfte‘, sondern auch ein Symbol für Macht. Überdies kommt der Adler auch in den Schweizer Alpen vor und wird von mehreren Schweizer Kantonen oder Ortschaften als Wappentier verwendet. Der Palmzweig in der linken Hand der Helvetia ist sowohl ein Symbol des Friedens als auch ein Symbol des Triumphes und der paradiesischen Verheissung.

Die Tatsache, dass die allegorische Frauenfigur der Freiheit (Helvetia) über den Wolken thront, unterstützt ebenfalls die Symbolik der Freiheit und Unabhängigkeit. Arnold Böcklin verwendet somit die Personifikation Freiheit als eine Art synonym zu Helvetia – die Versinnbildlichung der Schweiz.

Böcklin begnügt sich aber nicht mit reiner Symbolik. Ich glaube, dass er in subtiler Weise den Begriff der Freiheit mit inhaltlicher Bedeutung füllt. Gemeint ist die Freiheit für das ganze Volk. Dies schafft der Maler durch vielfältige Bezüge zum sehr bekannten Gemälde von Eugène Delacroix aus dem Jahre 1830: Die Freiheit führt das Volk an. Einerseits benutzt Arnold Böcklin die Farben der Trikolore: Rot (Tuch und Mütze), weiss (Berge und Helvetia selber) und blau (Himmel). Andererseits deutet er mit seiner Mütze, die ähnlich aussieht wie eine Jakobinermütze, die Französische Revolution an und somit sein Verständnis von Freiheit.

Dieses Video zeigt verschiedene Werke von Arnold Böcklin und geht auf sein Leben und seinen Stil ein:

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Siehe dir auch meinen Beitrag zu 500 Jahre Raffael an.

Bilderquelle: Eigene Aufnahmen, Kunsthaus Zürich
Bild: Die Freiheit (Helvetia), 1891, Arnold Böcklin, Tempera und Öl auf Fichtenholz. Leihgabe der Nationalgalerie Berlin, 1983, Kunsthaus Zürich

 

Literatur

  • Brosi, Sibylle: Der Kuss der Sphinx. Weibliche Gestalten nach griechischem Mythos in der Malerei und Graphik des Symbolismus, Münster; Hamburg 1992.
  • Edition Braus: Arnold Böcklin: Zeichnungen, Heidelberg 2001.
  • Éditions d’Art Albert Skira: Ein Jahrhundert Schweizer Kunst. Malerei und Plastik. Von Böcklin bis Alberto Giacometti, Genf 1969.
  • Kreis, Georg: Historisches Lexikon der Schweiz, Helvetia (Allegorie), siehe Website.
  • Linnebach, Andrea: Arnold Böcklin und die Antike: Mythos, Geschichte, Gegenwart, München 1991.