Hier schreibe ich über die Ausstellungen, die ich in diesem Jahr besucht habe. Hast du dieselbe Ausstellung besucht? Ich freue mich über ein Feedback von dir. Diejenigen Ausstellungen, die noch aktuell sind, habe ich im Beitrag orange markiert. Hier eine Übersicht:

Still ongoing:

  • Landesmuseum Zürich: Konsumwelten: Alltägliches im Fokus (bis 21.04.2025)
  • Albertina Modern, Wien: True Colors. Farbe in der Fotografie von 1849 bis 1955 (bis 21.04.2025)
  • Fondation Beyeler: Nordlichter (bis 25.05.2025)
  • Albertina Museum Wien: Leonardo – Dürer. Meisterzeichnungen der Renaissance (bis 09.06.2025)
  • Albertina Museum Wien: Francesca Woodman (bis 06.07.2025)
  • Château de Prangin: Was ist die Schweiz? (Dauerausstellung)

Ausstellungen April 2025

Albertina Museum Wien: Francesca Woodman (bis 06.07.2025). Was bedeutet es Frau zu sein? Francesca Woodman (1958-1981) erkundet genau diese Frage in ihren Schwarz-Weiss Fotografien. Rund 100 Werke aus ihrer 9-jährigen Schaffensphase sind in der aktuellen Ausstellung zu sehen. Kennst du die Fotografin? Wenn ich ihre Fotografien betrachte, mischen sich verschiedene Emotionen bei mir. Einzelne Bilder finde ich ästhetisch wunderschön, andere finde ich abstossend oder verwirrend, dann wieder bin ich fasziniert, wie sie ihren Körper einsetzt, um die Weiblichkeit zu erforschen. Oder ich sehe Ausschnitte von Räumen und möchte wissen, was es sonst noch in diesem Raum zu erkunden gibt.

Francesca inszeniert sich leidenschaftlich gerne selbst und ich finde es toll wie sie Licht und Schatten einsetzt. Auch positioniert sie sich sehr kreativ – kein üblicher Blickwinkel und genau deshalb bleibt es spannend. Zudem hat sie in sehr ungewöhnlichen Atelierräumen oder in Fabrikhallen gearbeitet, was uns unerwartete Gegenstände erblicken lässt. Ihr Körper dient als Werkzeug, um die ihr wichtigen Themen zu erkunden: Weiblichkeit, das Verhältnis zwischen Körper und Raum, Verletzlichkeit und kreative Selbstinszenierung. Ihre Requisiten? Sehr vielfältig: Spiegel, Handschuhe, Tapeten, Mehl, Muscheln, Fliesen oder Aale. Francesca wird nur 23 Jahre alt, hinterlässt uns aber ein eindrucksvolles Oeuvre.

Albertina Museum Wien: Leonardo – Dürer. Meisterzeichnungen der Renaissance auf farbigem Grund (bis 09.06.2025). Im Norden haben wir Albrecht Dürer, im Süden Leonardo da Vinci – beides Genies, die die Renaissancemalerei auf ihren Höhepunkt führen. Was haben sie gemeinsam? Ganz einfach: Sie skizzieren auf Papier. Beide verwenden farbig präpariertes Papier für ihre Entwürfe. Lila, Rot, Blau, Blaugrün, Braun, Schwarz. Es ist unglaublich faszinierend diese gefärbten Papiere in der Ausstellung zu vergleichen und vor allem zu sehen, welche Effekte man mit welchen Stiften bewirken kann. Die Farbe bildet einen Mittelton, von der aus ins Helle oder ins Dunkle gearbeitet wird.

Die Künstler nehmen Metallstift, Feder, Pinsel oder Kreide, um Glanzlichter oder Schatten zu malen. Das Papier wird mit einem Gemisch aus Knochenpulver, Leim- und Gummiwasser grundiert. Danach wird Farbe in Pulverform beigemischt. Diese Technik schwappt von Italien nach Deutschland rüber. Eine Präparierung des Papiers ist zwingend, da sich der Strich auf einer glatten Papierfläche nicht abreibt. Die Blätter von Leonardo da Vinci sind auffällig bunt, denn er wählt verschiedene Grundierungen: Von leuchtend rot und orange über hellviolett, blau bis hin zu cremefarbigen rosa und beige Tönen. Nach seinem Umzug nach Mailand 1482 bevorzugt er das blau grundierte Papier und verwendet dabei einen Metallstift.

Chiaroscuri heisst der Begriff, wenn man auf farbigem Papier zeichnet. Die Technik des Chiaroscuro (Hell-Dunkel-Malerei) kommt erst in der Spätrenaissance / Barock auf. Cennino Cennini erwähnt als erstes die Technik des Zeichnens auf farbigen Untergründen und beschreibt es als «porta» – Tor zur Malerei. Gerade durch die reduzierte Farbpalette kann sich der Künstler im Umgang mit Dreidimensionalität sowie Licht- und Schattenwirkungen üben. Leonardo da Vinci dürfte übrigens als Erster mit Rötel auf Rot präpariertem Papier gezeichnet haben. Die Rot-auf-Rot Technik inspiriert viele weitere Maler.

Nördlich der Alpen entwickelt Dürer neue Techniken. Wie Leonardo da Vinci verwendet er farbig präpariertes Papier. Doch neben den Blättern mit farbiger Grundierung, greift er auch zum bereits im Herstellungsprozess eingefärbten Natur- oder Tonpapier – genannt Carta Azzurra. Erstmals begegnet Dürer dieser Technik in Venedig um 1506. Er schafft bildhaft durchkomponierte Zeichnungen mit Auge für Details. Seine dargestellten Hände sind meisterhaft skizziert.

Das Bedürfnis nach solchen ästhetischen Skizzen steigt und dank der Druckgrafik sind sie gut reproduzierbar. Keine Lust auf Massenware? Kein Problem. Dürer fertigt für anspruchsvolle Kunden Einzelstücke an. Das Monogramm darf jedoch nicht fehlen. Dürer pflegt einen freundschaftlichen Austausch mit Giovanni Bellini. Dieser dürfte ihn auch dazu angeregt haben die Hell-Dunkel-Technik anzuwenden und seinen Einsatzbereich zu erweitern. Dabei erprobt er Oberflächen, Strukturen und Formen in Bezug auf die malerische Wirkung.

Albertina Modern, Wien: True Colors. Farbe in der Fotografie von 1849 bis 1955 (bis 21.04.2025). Fotografieren ohne Farbe? Heute undenkbar. Vor rund 100 Jahren ein Luxusgut. Die Techniken dahinter sind komplex. Die Ausstellung widmet sich diesen facettenreichen Entwicklungen und wir entdecken wunderbare handkolorierte Bilder. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts gelingt es Wissenschaftlern einzelne Farbfotos herzustellen. Das sind jedoch Unikate und somit nicht massentauglich.

Die Inferenzfarbfotografie gilt als erster Meilenstein der direkten Farbfotografie und wird 1891 von Gabriel Lippmann in Paris vorgestellt. Erstmals sind dauerhaft haltbare und brillant strahlende Farbaufnahmen möglich. Das Verfahren basiert auf der Interferenz von Lichtwellen und im richtigen Winkel reflektiert sich dann die Ausgangsfarbe – so wie bei Seifenblasen, wenn sie durch die Luft schweben und von der Sonne angestrahlt werden

Eine erste Revolution der Farbfotografie gelingt den Brüdern Lumière im Jahr 1907. Sie bringen industriell hergestellte Autochromplatten auf den Markt. Die zweite Revolution feiert das US-Unternehmen Kodak Mitte der 1930er Jahre – kurz danach die Firma Agfa in Deutschland. Sie produzieren den ersten Kleinbildfarbdiafilm. Nach dem zweiten Weltkrieg kommen praktikablere Materialen für die analoge Fotografie auf den Markt. Der Siegeszug der Farbfotografie ist nicht mehr aufzuhalten. Wie viele Fotos machst du an einem Tag?

Ausstellungen: März 2025

Landesmuseum Zürich: Konsumwelten. Alltägliches im Fokus (bis 21.04.2025). Welche Bedürfnisse deckst mit deinem Konsum ab und wie hat sich dieser in den letzten Jahren verändert? Fühlst du dich glücklich danach? Ein komplexes Thema, denn wenn wir essen, trinken, uns nach Trends kleiden oder Medien konsumieren, stets stillt der Konsum ein wichtiges Bedürfnis – sei es Glück, Individualität, Zugehörigkeit oder Abwechslung. Wo und wie wir einkaufen, hat sich in den letzten Jahren stark verändert, doch die Bedürfnisse bleiben die Gleichen. So erinnert uns ein bestimmter Duft an die Ferien. Wir kaufen denselben Wein, den wir in den Ferien getrunken haben. Wir kaufen ihn, da er mit Emotionen und Erinnerungen verknüpft ist.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Werbung. Sie hat die Aufgabe, Produkte besonders attraktiv zu machen und zum Konsum anzuregen. Dafür gibt es – auch schon vor Photoshop – Fotostudios, die sich auf diese Nische konzentrieren. Sie greifen in die Trickkiste, um das Produkt zu optimieren (Beleuchtung, Perspektive, Farbgebung etc.). Was ich persönlich besonders mag, ist humorvolle Werbung. Ich denke hier an die Werbung des Motorradherstellers Kawasaki oder der Schweizer Versicherung ‘Die Mobiliar’. Auch das Einkaufszentrum Glatt lockt bereits 1975 die Konsument:innen mit Humor in ihr Haus. Was hast du letzthin gekauft, das du nicht wirklich brauchst und warum hast du es gekauft?

Ausstellungen: Februar 2025

Fondation Beyeler: Nordlichter (bis 25.05.2025). Ein zarter, beweglicher Schleier aus schillernden Rosa-, Weiss- und Türkistönen schimmert am nächtlichen Himmel. Er spiegelt sich auf einer Wasseroberfläche zwischen kargen Felsen. Das flüchtige Naturphänomen der Nordlichter auf Leinwand zu bekommen, ist Anna Boberg auf wunderbare Weise gelungen – findest du nicht auch? Die Nordlichter dienen der Künstlerin als Motiv in zahlreichen Werken. Sie ist so beeindruckt, dass sie über 30-mal nach Nordnorwegen reist, um die unterschiedlichen Lichtverhältnisse zu malen. In der Ausstellung haben mich ihre Bilder besonders beeindruckt. Die Schwedin ist zwar in ihrem Heimatland bekannt, doch ausserhalb der Landesgrenzen kennt sie kaum jemand.

In der Ausstellung finden wir bekannte Namen wie den Norweger Edvard Munch oder die Schwedin Hilma af Klint. Doch eben auch den weniger bekannten Künstler:innen wird eine Plattform geboten. Gefallen hat mir zudem, dass nicht nur skandinavische Werke gezeigt werden, sondern auch Bilder von kanadischen Künstlern. Wegweisend war hier die «Group of Seven». Die Gruppe hat die kulturelle Identität Kanadas über Jahrzehnte geprägt. Es dreht sich alles um die boreale Zone. Kennst du sie? Sie wird auch Taiga genannt und umfasst die nördliche Vegetationszone. Also dort, wo der Sommer nicht enden will, und die dunklen Winternächte herrschen – die «Heimat» der Nordlichter. In der Ausstellung werden 13 Maler:innen gezeigt, die sich von diesen Naturphänomenen inspirieren liessen.

Ausstellungen: Januar 2025

Graphische Sammlung, ETH Zürich: Albrecht Dürer. Norm sprengen und Mass geben (bis 09.03.2025). Der Name Albrecht Dürer bedeutet spektakuläre Ausstellungen, Massenandrang, lange Wartezeiten und kitschige Kaffeetassen. Doch es muss nicht immer ein pompöser Auftakt sein, denn in der Graphischen Sammlung kann man den grossen Meister ohne Ansturm und ganz in Ruhe betrachten – auf Augenhöhe quasi. Die ETH Zürich besitzt Albrecht Dürers druckgraphisches Werk in beneidenswerter Qualität und Quantität. Ich könnte hier stundenlang verweilen. Hier wird er als Künstler und nicht als Pop-Ikone verehrt. Ein Künstler, dem es gelang mit seinen Werken nicht nur Norm sprengend, sondern auch Mass gebend zu sein.

Die Werke von Dürer faszinieren mich immer wieder aufs Neue. Jede:r von uns hat ein Werk von ihm im Kopf, wenn wir die Augen schliessen. Bei mir ist es sein Selbstportrait, in dem er sich fast christusgleich inszeniert. Oder die Melencolia (Melancholie). Seine betenden Hände und der Hase haben es in Schwimmbäder, Schlafzimmer und auf Rucksäcke geschafft. Wie bei Raffael und Mozart zeugt dies von einer unglaublichen Wirkmacht, die weit über den Zirkel eines elitären, kunstaffinen Publikums hinausreicht. Zur Ergänzung werden deshalb in der Ausstellung auch Fotografien von Tätowierungen gezeigt, die auf Dürers Graphiken zurückgehen, was ich persönlich eine richtig coole Idee finde.

  • Hier geht es zu meinem Blog-Artikel über die Kunstwerke der ETH Zürich.

Musée Visionnaire Zürich: INK* (bis 02.03.2025). Spätestens bei Tätowierungen scheiden sich die Geister. Der Körperschmuck lässt die Nase rümpfen oder sorgt für totale Begeisterung. Das kann auch beim Dating herausfordernd sein. Und was haben Tätowierungen im Museum zu suchen? Eine künstlerische Betrachtung gestaltet sich doch schwierig; haben wir es nicht mit einer Leinwand zu tun, sondern mit nackter Haut oder genauer gesagt einem Menschen als Träger:in. Und die andere schwierige Frage: Wer ist denn jetzt Künstler:in? Die Person, die das Tattoo gestochen hat, die Träger:in oder gar das Museum selbst?

Da ich selber stolze Besitzerin von Tattoos bin, finde ich es richtig cool, dass diese künstlerische Praxis ins Museum geholt wird. So können wir die Pigmente von einer ganz anderen Perspektive betrachten und zu neuen Diskussionen anregen. Tattoos sind immer noch für Viele ein Tabuthema. Ich selbst bin auch schon auf Ablehnung oder auf Unverständnis gestossen. Gleichzeitig bin ich auch heikel und mag nicht alle Stile. Das kann ganz schön herausfordernd sein. Für alle, die Tattoos mögen: Geht unbedingt in die Ausstellung. Und für diejenigen, die sie nicht mögen: Gib ihr eine Chance. Du musst dir ja nicht gleich ein Tattoo stechen lassen, aber vielleicht gewinnst du neue Einblicke. Hast du auch Tattoos?

Fondation Beyeler: Matisse – Einladung zur Reise (bis 26.01.2025). Heute möchte ich dir einen Begriff vorstellen, den ich damals im Studium gelernt und nun bei der Matisse-Ausstellung in der Fondation Beyeler in Basel wiederentdeckt habe – die Odalisken. Das sind nackt oder eingekleidet dargestellte Frauenfiguren, meist sitzend oder liegend in einer orientalischen Bildinszenierung. Odalisken waren ursprünglich Dienerinnen im Harem des Sultans. Im 19. Jahrhundert werden solche Dienerinnen vermehrt in der europäischen Malerei dargestellt, jedoch findet in diesem Zusammenhang oft eine erotische Aufladung der Bildmotive statt. Viele Künstler reisen in den (nahen und fernen) Orient und bringen Eindrücke zurück. Es entstehen zudem Postkarten, die uns Europäern das Konzept des Orientalismus näherbringen. Hierbei handelt es sich aber überwiegend um Klischeevorstellungen des Orients.

Matisse reist 1906 nach Algerien und 1912 nach Marokko. Er ist fasziniert von den dortigen Textilien. Auf den Märkten kauft er mehrere Teppiche, die er fortlaufend in seine Bilder integriert. Sie beeinflussen ihn in seiner Auffassung von Räumlichkeit – er wendet sich von der konventionellen Vorstellung der Perspektive ab und findet zu einer freieren Form. Diesen Wandel erkennt man beispielsweise in seinem Bild «Akanthus» – das Dekorative wird sichtbar, die Form reduziert und abstrahiert, die Farbe befreit sich vom Gegenstand. Räumliche Tiefe und Hell-Dunkel-Effekte spielen kaum eine Rolle mehr. Die Ornamente von Teppichen und Wandtapeten breiten sich flächendeckend über den gesamten Bildraum aus.

Die Frauenfiguren von Matisse: Die Körperlichkeit der Frauenfiguren von Matisse hat mich schon immer fasziniert, vor allem seine verschiedenen Stile und die Wandlung über die Jahre hinweg. So verbindet er beispielsweise europäische Einflüsse mit Körperformen der afrikanischen Bildhauerei. Wir sehen hier (Bild 1) kraftvolle, eckige Linien und flächige Formen, die uns an die afrikanischen Holzfiguren erinnern. Hier spiegelt sich das Interesse der Europäer an der vermeintlich «primitiven» Kunst. Gleichzeitig setzt er sich nach seiner Italienreise mit den Fresken von Giotto auseinander. Es findet eine Reduktion der Landschaftsdarstellung statt.

Zudem beschäftigt er sich mit den «Badenden» von Cézanne. Wir können schon seine Hinwendung zur monumentalen Malerei erkennen. Ersichtlich wird dies auch in seinen Rückenakten, die er in einem Zeitraum von über 20 Jahren weiterentwickelte – von anfangs dynamisch geschwungenen Figuren hin zu flächigen Kompositionen. Matisse abstrahiert seine Figuren immer mehr – bis hin zu seinen berühmten Scherenschnitten. Diese Figur (Bild 2) hat er rund 26-mal überarbeitet, so dass sie nun wie collagiert erscheint. Der Frauenakt sprengt beinahe das Gemälde, wobei der Kopf im Verhältnis zum Körper winzig klein erscheint. Es gibt keine Räumlichkeit, allein die geschwungenen Formen bringen Bewegung ins Bild.

Matisse bedient sich an verschiedenen Bildstilen und -epochen: Von der Antike über das Spätmittelalter bis hin zur Renaissance. Orientalismus, Japonismus, Fauvismus, Kubismus… Matisse erschafft Frauenfiguren jenseits des westlichen Schönheitskanons. Der Wandel über die Jahre sowie der kulturelle Austausch werden in der Ausstellung wunderbar aufgezeigt.

Alle Bilder: eigene Aufnahmen aus den Ausstellungen