Wham! Bham! Pow! Roy Lichtenstein ist der wichtigste Vertreter der Comic-Art und er gehört neben Andy Warhol zu den bekanntesten Gründerfiguren der Pop-Art. Wir sehen Sprechblasen, Punkte, knallige Farben, klare Linien und top geschminkte Frauen. Doch seine Kunst beinhaltet vielmehr als nur «klischeehafte Blondinen» und «Copy-Paste» Cartoon-Ästhetik. Roy Lichtenstein verbindet die Low-Art mit der High-Art und macht so die Kunst zugänglich für alle. Zudem ist er extrem gesellschaftskritisch und ein begabter «Story-Picker».

Die Albertina in Wien widmet Roy Lichtenstein (1923-1997) anlässlich seines 100. Geburtstages eine umfassende Retrospektive mit über 90 Gemälden, Skulpturen und Grafiken (bis 14.07.2024). Britta Kadolsky und ich sprechen über Roy Lichtenstein in unserer neuesten Podcastfolge: #12 Der Pop-Art Meister bringt es auf den Punkt.

«Ohhh…Alright…» lass uns eintauchen in die Welt der Kriegshelden und Superheros!

Hier geht es zur Podcastfolge über Roy Lichtenstein (Kunst & Knackig – auch auf Spotify und Apple Podcasts).

Die frühen Jahre von Roy Lichtenstein

Roy Lichtenstein wird in einer Mittelstandsfamilie am 27. Oktober 1923 in New York geboren. Seine Mutter ist musikalisch begabt und spielt Klavier; sein Vater ist Immobilienmakler. Er geht auf eine Privatschule und nimmt in seiner Freizeit Zeichenunterricht, da es kein Lehrfach dazu gibt. Zeitgleich interessiert er sich für Jazzmusik.

Ende der 30er Jahre zeichnet er Stadtszenen von New York und besucht weitere Kunstkurse, jedoch bleibt das Malen ein Hobby für ihn. Lichtenstein befasst sich zudem mit dem Kubismus und der abstrakten Malerei, bleibt jedoch bei Alltagsmotiven. Pablo Picasso ist sein Vorbild und beeinflusst seine ersten Werke stark. Er will ihn sogar in seinem Haus besuchen, getraut sich am Schluss aber nicht (Picasso wäre aber eh nicht dort gewesen).

Militärdienst und Lehrtätigkeit

Seine Eltern überreden ihn ein Lehrdiplom zu machen und so unterrichtet er in den 40er Jahren als Kunstdozent. Immer noch als Hobby malt er nun im Stil des Expressionismus. Zeitgleich schreibt er sich für ein Kunststudium ein, muss dieses jedoch aufgrund des zweiten Weltkrieges unterbrechen. Während seines Militärdienstes (1943-45) in Europa bereist er unter anderem England, Belgien und Frankreich. Erst 1946 kann er sein Studium an der Ohio State University abschliessen, hängt jedoch gleich ein weiteres Studium sowie eine Lehrtätigkeit an, welche bis 1951 andauert. Seine Bilder werden abstrakter und er lässt sich wiederum von den Kubisten inspirieren.

1949 heiratet er Isabel Wilson mit welcher er zwei Söhne bekommt, jedoch wird die Ehe 1965 wieder geschieden. In den 50-er Jahren werden seine Bilder in mehreren Galerien ausgestellt, jedoch kaum ein Werk wird verkauft. Um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, nimmt er eine weitere Lehrtätigkeit an als Assistenzprofessor an der New State University.

In den USA herrscht der Expressionismus vor und Roy Lichtenstein befasst sich mit zwei Richtungen: Einerseits dem Action Painting, unter anderem vertreten durch Jackson Pollock, andererseits dem abstrakten Expressionismus, vertreten beispielsweise durch Barnett Newman. Sein Sohn soll ihn in den 60-er Jahren auf die Comics aufmerksam gemacht haben und so beginnt er mit dem Malen von Comic-Figuren wie Donald Duck.

Der Durchbruch – Look Mickey!

Ab den 1930er Jahren entstehen in den USA die berühmten Comics wie Mickey Mouse (1928), Batman (1939), Captain America oder Wonder Woman (1941). Roy Lichtenstein wächst mit diesen Superhelden auf. In den 60-er Jahren kommt er über Allan Kaprow in Kontakt mit Installationskünstlern und so genannten «Happenings». Hier spielt die Verwendung von Alltagsgegenständen eine wichtige Rolle. Lichtenstein fängt an zu experimentieren, beschäftigt sich zeitgleich mit der industriellen Drucktechnik. Mit seinem 1961 entstandenen Bild «Look Mickey, I’ve hooked a big one!!” schafft er den Durchbruch in der Galerie von Leo Castelli. Witzigerweise kommt Andy Warhol ein paar Wochen später zur gleichen Galerie – auch mit Comicbildern, doch Castelli lehnt ab, da Lichtenstein die Nische bereits besetzt hat.

Ab 1962 kann Roy Lichtenstein von seinen Bildern leben. Im selben Jahr nimmt er an den wichtigsten Ausstellungen der neuen Bewegung der Pop-Art teil. 1963 widmet er sich ganz der Malerei, die jedoch von Vielen kritisiert wird. So betitelt das «Life Magazine» einen Artikel über ihn mit «The worst artist in the U.S.?»

Kunst, Klischees, Werbung und Kritik

Seine Werke werden in den 60er Jahren nicht nur von Pablo Picasso und von Piet Mondrian beeinflusst, sondern auch von zeitgenössischen Künstlern wie Claes Oldenburg (Stichwort Hamburger). Durch den technischen Fortschritt und die neu entstandenen Geräte beeinflusst die Werbung die Kaufkraft Bürger täglich. Lichtenstein fängt an Kunst und Kommerz zu kombinieren und sich kritisch mit diesem Fortschritt auseinanderzusetzen.

Er nimmt Zeitungs- oder Comicbücher-Ausschnitte und vergrössert sie. Jedoch stellt er nicht eine direkte Kopie her – wie ihm oft vorgeworfen wird, sondern lässt Elemente weg und fügt andere hinzu. Ohne das Comic zu kennen, müssen wir uns als Betrachter allein mit der Situation auseinandersetzen, was einen grossen Spielraum für Interpretationen offenlässt. Er pickt geschickt Szenen heraus und konfrontiert uns mit Emotionen und mit (Geschlechterrollen-)Klischees. Er kombiniert ferner «Low-Art» (also den Comic-Stil) mit «High-Art» (die Werke, die wir im Museum sehen). Lichtenstein macht uns auf Alltagssituationen und -gegenstände aufmerksam. Wer klopft denn da an die Türe? Wieso weint diese schöne Frau?

Die Emotionen in seinen Werken können wir nachvollziehen und wir wollen wissen, wie die Story weitergeht. Unser Kopfkino macht den Rest. Grosses Drama oder Versöhnung? Er hält uns aber auch einen Spiegel vor und zeigt uns die Zeichen des Kulturverfalls. Die Werbung verkauft unsere Sehnsüchte – die Sehnsucht nach Wohlstand, nach einem besseren Leben. Der banale Konsum und die Massenprodukte, die Glück versprechen, verschmelzen in seinen Bildern und werden Kunst.

Er selbst sagt dazu:
«Meine Kunst geht ironisch mit dem Kapitalismus um»

Markenzeichen: Brushstrokes, Sprechblasen und Punkte

Lichtenstein spielt mit klaren Linien und leuchtenden Primärfarben. Er fügt punktierte Flächen hinzu (Ben-Day Dots) und Sprechblasen. Neu stellt er Skulpturen her. Ein Markenzeichen von ihm sind auch die so genannten «Brushstrokes» – die grossformatig, monochromen Pinselstriche. In den 70er Jahren experimentiert er zudem mit Dreidimensionalität und optischen Täuschungen. Er nimmt ferner Werke von anderen Künstlern auf und abstrahiert sie. So entsteht beispielsweise das Stillleben «Glas und Zitrone vor einem Spiegel» von 1974, welches an Werke von Paul Cézanne erinnern.

In den 80er Jahren wendet er sich vermehrt vom Comic-Stil ab und widmet sich eher der surrealen und abstrakten Kunst, wobei Landschaftsbilder entstehen. 1995 wird ihm der Kyoto-Preis verliehen – eine Auszeichnung für überragende Leistungen in Wissenschaft und Kunst. Den Ehrendoktor erhält er 1996 von der George Washington University (Washington D.C.). Lichtenstein stirbt am 29. September 1997 im Alter von 74 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung.

Die Punkte sind ganz wichtig. Am Anfang waren sie handgemacht, wurden aber dann immer besser. Zuerst ging die Arbeit mit Hundebürsten […] vonstatten. Eine selbsthergestellte Metallschablone war der nächste Schritt. Es folgten Schablonen aus gelochtem Metall. Dann liess ich mir Papierschablonen machen […]. Nicht nur die Grösse der Punkte hilft bei der Datierung der frühen Werke, sondern auch ihr Winkel. (Zitat Roy Lichtenstein aus der Ausstellung, Albertina Wien)

Das Œuvre von Lichtenstein umfasst übrigens nicht nur Bilder und Skulpturen. Er befasste sich auch mit dem Siebdruck, dem Holzdruck und Collagen.

Lichtenstein Foundation & Whitney Museum of American Art

Nach dem Tod von Roy Lichtenstein gründete seine Frau, Dorothy Lichtenstein, die Lichtenstein Foundation, welche rund 800 Werke besass und alle Rechte an seinen Kunstwerken. 2018 wurde diese schrittweise aufgelöst. Rund 400 Werke wurden dem Whitney Museum of American Art in New York vermacht. Weitere Werke befinden sich in der National Gallery of Art in Washington, dem New Yorker MoMA und dem Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid. Die Lichtenstein Foundation machte zudem eine grosszügige Schenkung von rund 100 Werken an die Albertina in Wien. Diese Schenkung bildet die Grundlage für die aktuelle Ausstellung.

Die Ausstellung startet mit der Pop-Art Ikone «Look Mickey» und seinen Frühwerken aus den 60er Jahren. Danach sehen wir Werke, bei denen er sich von anderen Künstlern wie Picasso, Dalì, Kirchner oder Pollock (Kunst-nach-Kunst-Bilder) inspirieren liess. Landschaften in Emaille-Technik und die Produktwerbungen gehören natürlich auch dazu – unter anderem kannst du seine Schwarz-Weiss-Bilder anschauen. Ich persönlich liebe ja seine Brushstroke-Werke und habe mich gefreut über die vielen Skulpturen. Generell finde ich seine Werke sehr inspirierend und so verlasse ich die Ausstellung erfrischt und mache mich auf zu einer Stärkung im Café nebenan 🙂

ARTE erweckt auf eine witzige Weise ein Bild von Roy Lichtenstein zum Leben:

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Aktuelle Ausstellung: Roy Lichtenstein. Zum 100. Geburtstag (bis 14.07.2024)
Adresse: Albertina Museum, Albertina Platz 1, 1010 Wien
Öffnungszeiten: Täglich 10Uhr bis 18Uhr (Mittwoch & Freitag bis 21Uhr)

Hier geht es zur Podcastfolge über Roy Lichtenstein – Podcast: Kunst & Knackig.

Siehe dir auch meinen Museumstipp zur Heidi Horten Collection in Wien an.

Bilderquellen / Copyright:
Eigene Aufnahmen aus der Ausstellung sowie Pressebilder auf der Webseite des Museums (siehe Copyrightangaben im Bildervermerk) © Estate of Roy Lichtenstein/Bildrecht, Wien 2024.

 

Literatur

  • Webseite & Ausstellungstexte aus dem Albertina Museum